Spitz pass auf!

Auf einmal ist es soweit: Albert und ich bereiten den letzten einer ganzen Reihe von workshops für die Mitarbeiter des Ankur Counseling Center vor. Zu unser aller Bedauern kann Anne nicht mehr dabei sein, da sie aus privaten Gründen ihren Aufenthalt hier abbrechen musste. Denn durch ihre beständige Arbeit hat sie das Interesse der Mitarbeiter weiter verstärkt, das durch die ersten workshops (siehe blog dazu ) geweckt worden war. Wir entscheiden uns, zwei unterschiedliche Spiele mit den Mitarbeitern zu bauen: Spitz-pass-auf und eine Würfelbox. Spitz-pass-auf ist ein lustiges Spiel für mehrere Spieler jeden Alters, das die Aufmerksamkeit und die Reaktion fördert. Die Würfelbox übt das Rechnen im Zahlenraum bis 12 und kann ebenfalls von mehreren Kindern gespielt werden. Die Spielsteine für Spitz-pass-auf haben wir extra hier in Patan drechseln lassen (siehe blog über Hemdas Shilpakar).
Die übrigen Materialien, die rote Bohrmaschine, den Spielbecher und die Unterlage, all dies haben wir hier gekauft. Die Würfelbox ist aus einem Bausatz, den Anne mitgebracht hat. Wir kommen in den großen Gruppenraum und werden von den Mitarbeitern schon erwartet. Darüber freuen wir uns sehr. Albert krempelt die Ärmel hoch, packt die Werkzeuge aus, richtet sämtliche Bauteile. Dann erklärt er das Spiel Spitz-pass-auf. Die Mitarbeiter schauen etwas verwundert, aber nach den ersten Runden spielen wir alle mit großem Vergnügen und herzlichem Lachen!  Das Bauen des Spiels geschieht dann mit ebenso großer Freude und Begeisterung. Nach einer kurzen Einweisung in die Benutzung einer elektrischen Handbohrmaschine sind sie kaum noch zu bremsen.
Die übrigen Arbeitsschritte gehen auch schnell von der Hand. Jetzt müssen die Spielsteine nur noch in der Sonne trocknen. In der Zwischenzeit bauen wir das Spiel mit der Würfelbox. Dieses ist in der Herstellung etwas komplexer, auch muss ein Bauplan gelesen und verstanden werden. Dabei müssen wir z.B. auch improvisieren, da die benötigte Feinsäge hier in Nepal für uns nicht aufzutreiben ist. So behelfen wir uns mit einem Sägeblatt einer Metallbügelsäge und Klebeband als Handgriff. Da nur kurze Schnitte zu sägen sind, klappt es mit diesem Provisorium doch ganz ordentlich.
Ich übersetze die Anleitung ins Englische und  wir spielen ein paar Runden. Jetzt sind die Spielsteine trocken, es folgen einige Runden Spitz-pass-auf. Die Mitarbeiter wollen gar nicht mehr aufhören! Die Stimmung ist wirklich ausgelassen und fröhlich.
In einem gemeinsamen Gespräch betonen die Mitarbeiter, dass sie in den verschiedenen workshops sehr viel gelernt und Anregungen bekommen haben. Chhori hebt hervor, dass beim Werken das Übersetzen in die Fremdsprache nicht so wichtig ist, da man beim Vorführen sehr gut Mimik und Gestik einsetzen kann.  Alle Mitarbeiter bedanken sich explizit bei Anne und auch bei uns für die gesamten Anregungen, neuen Anstöße und Ideen für ihre zukünftige Arbeit. Wir verlassen Ankur mit dem guten Gefühl, dass die Mitarbeiter diese für sie neue Methode weiter einsetzen werden.

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Ankur Counseling Center

Ankur, die einzige Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche in Nepal.

Text und Bilder von Anne Haller – Karpf

Mit großer Spannung ging ich zum ersten Mal zum Ankur Counseling Center in Lalitpur/Kathmandu. Psychologische Beratung für Kinder und Jugendliche in Nepal? Wie wird, wie kann diese Arbeit hier aussehen? Bereits im Flur gibt es Vertrautes. Die verschiedenen Gefühlsbilder begleiten mich in den ersten Stock, in dem die Beratungszimmer liegen. 3 kleine Spielzimmer, ausgestattet mit dem Sandspiel und den dazu gehörenden unzähligen kleinen Figuren, ein paar Stiften zum Malen, Knete, einem Tangram und ein paar Kuscheltieren, sowie ein großer Gruppenraum und ein Büro befinden sich hier. Im Obergeschoss ist ein Zimmer als Bücherei und Büro eingerichtet, daneben liegt die Küche, das Reich von Sancha. Er kocht jeden Tag das nepalesische Nationalgericht Dal Bhat, 2mal die Woche mit gekochtem Reis, 4mal mit ungekochtem Bitten Rice, einer Art von Reisflocken.
Sancha bringt Tee und sorgt für alles, was anfällt. Eine Beratungsstelle mit eigenem Koch, das würde uns zuhause auch gefallen. Chhori Laxmi Maharjan, die Leiterin und Sumitra Dhakal, eine Mitarbeiterin haben ein mit Master abgeschlossenes Psychologiestudium.; dieses hauptamtliche Team wird durch 2 Interns ergänzt, die direkt nach dem Studium ihre praktische Ausbildung in psychologischer Beratung machen. Von Anfang an bin ich beeindruckt von der sehr freundlichen und wertschätzenden Kommunikation der Mitarbeiter untereinander, trotz der strengen Hierarchie; ohne Chhoris Zustimmung wird nichts gemacht und entschieden. Die wichtigste therapeutische Methode in der Einzeltherapie für die Kinder ist das Sandspiel, eine Form analytischer Spieltherapie, die auf die Theorie C.G.Jungs zurückgeht. Im Sandspiel stellen die Kinder ihre innere psychische Situation dar, indem sie mit dem bereitgestellten Material Szenen aufbauen, in denen ihre seelischen Dramen, Konflikte, Probleme und Überforderungen zum Ausdruck kommen. Diesen Prozess begleitet der Therapeut empathisch und hilft dem Kind durch seine Interventionen seine innere Situation zu verstehen, zu bewältigen und Lösungen zu finden.
Das Sandspiel ist eine weitgehend nonverbale Methode und so geeignet für ein Land, in dem es über hundert verschiedene Kulturen und Sprachen gibt. Manchmal wird dieser spieltherapeutische Prozess durch eine zusätzliche Gesprächspsychotherapie ergänzt. Das Sandspiel wurde bereits 2006 bei der Gründung von Ankur von Dr. Barbara Jones eingeführt und die Leiterin Chhori darin ausgebildet. Eine weitere zentrale Methode ist das group counseling für Kindergruppen von 4-10 Kinder. Die meisten Kinder, die in Ankur psychologische Hilfe erhalten, leben in Kinderheimen, sind Waisen oder getrennt von ihren Familien, die aus den verschiedensten Gründen ihren Kindern keine förderliche (ökonomisch, sozial und emotional) Umgebung bieten können. Die Themen, die in den Gruppen behandelt werden, leiten sich ab aus den Problemen, die sich im Verhalten der Kinder in ihren Heimen zeigen. Ein zentrales Thema ist die Entwicklung von Selbstbewusstsein; Entwicklung von Empathie, Umgang mit Mobbing, Entwicklung von Arbeitsverhalten, Prüfungsvorbereitung, Pubertät, Umgehen mit Stress sind weitere wichtige Arbeitsfelder. Diese Stunden werden sehr sorgfältig mit Elementen der Selbsterfahrung und kognitiver Reflexion von den Interns vorbereitet und durchgeführt, anschließend von den Hauptamtlichen supervidiert. An diesen Sitzungen konnte ich teilnehmen und ich war sehr überrascht, wie akzeptierend, wertschätzend und respektvoll die Kommunikation mit den Kindern ist. Der Focus liegt ausschließlich auf positivem Feed-back. In unseren westlichen Augen störendes Verhalten der Kinder, wie Kaugummiblasen machen, sich wegdrehen, aufstehen, mit einem Kuli spielen wird konsequent übersehen und wird dann im Verlauf der Sitzung zunehmend weniger. In der Gruppe wird von den Kindern und dem Leiter Nepali gesprochen; die für alle ethnischen Gruppen verbindende, gemeinsame Sprache.  In der Schule wird  Nepali in Wort und Schrift gelehrt, neben Englisch, das für viele Schulfächer die verwendete Sprache ist. Es ist jedoch deutlich, dass die Kinder Nepali sehr gut sprechen, ihre Englischkenntnisse sind je nach Alter unterschiedlich entwickelt. Für mich sehr auffallend war, dass Gefühle, Charaktereigenschaften usw. immer mit englischen Worten ausgedrückt werden, sowohl sprachlich, als auch schriftlich. Auf meine Nachfrage erntete ich großes Erstaunen. Weder den Kindern, noch den Leitern war es vorstellbar, emotionale und soziale Inhalte anders als in Englisch auszudrücken. Als ob die nepalesische Sprache kein Vokabular dafür hätte. Zur Erklärung dieses Sachverhaltes habe ich mir folgende Hypothese aufgestellt. Psycholgisches Reflektieren bezieht sich häufig auf individuelles Erleben, ein Ansatz und eine Sichtweise, die uns in unserer indvidualisierten, westliche Welt völlig selbstverständlich ist.  Im nepalischen Denken hingegen, das sich auf Tradition, Religion und Großfamilie als handlungsleitendes Prinzip bezieht, ist diese individualistische Sicht eigentlich eine nicht vorhandene Denkmöglichkeit. Und vielleicht braucht es deshalb die englische Sprache?
Aber Ankur hat naoch weitere Aufgaben: Beratung der Hauselten der Kinderheime, Beratung Jugendlicher, die bereits selbstständig ohne Betreuung leben, Beratung der Mitarbeiter und der Mütter im New Life Center (eine Einrichtung für HIV-infizierte Mütter und Kinder), Ausbildung von peer-counselers für Kumlaris (Kumlaris sind freigelassene junge Frauen, die als kleine Mädchen als Arbeitskräfte an Landlords zum Arbeiten verkauft wurden), Fortbildungen für Kindergärtnerinnen, Durchführung von Kursen zu bestimmten Themen (Pubertät, Entspannung Stress, Entwicklung von Sozialverhalten, Entwicklung von Selbstbewusstsein). Was mich sehr verblüfft hat, wie ähnlich die Arbeit mit den Kindern ist: die nonverbale Spieltherapie, die themenzentrierte Gruppenarbeit. Ich selbst habe eine Gruppensitzung mit 17 Kindern mit der Übersetzungshilfe der Mitarbeiter durchgeführt.
Die Kinder haben ein Memoryspiel gemalt und es anschließend mit größtem Vergügen gespielt. Das Spiel selbst war den Kindern nicht bekannt gewesen. Auch bei dieser Aktion war beeindruckend, wie konzentriert und sorgfältig die Kinder bei der Arbeit waren, wie problemlos ein Wasserfarbkasten und 10 Fasermalstifte geteilt werden können und wie 17 Kinder vertieft um 1 Memoryspiel mit 30 Kartenpaaren sitzen. Obwohl diese Kinder häufig traumatische Erfahrungen erlitten haben, sind ihre sozialen Verhaltenweisen erstaunlich gut entwickelt.
Und dies ist vielleicht einer der Unterschiede zu unserer Gesellschaft und ihren Auswirkungen auf den Einzelnen: gegenseitiger Respekt und Höflichkeit ist in der nepalesischen Kultur als wichtiges Prinzip tief verankert und wird in Ankur mit seinem wertschätzenden, akzeptierenden Kommunikationsverhalten zum strukturienden Element der therapeutischen Arbeit. Da Ankur als Beratungsstelle eine Einrichtung von NYF ist, deren verschiedenste Einrichtungen durch ein Netzwerk verbunden sind, wird psychologisches Denken, das in Nepal eigentlich noch völlig unbekannt ist, durch Ankur auch in andere NYF-Einrichtungen getragen, z.B. in die Kinderheime, in denen die wöchentlichen Gruppensitzungen als housevisits stattfinden und die regelmäßige Beratung der houseparents. Durch diesen Einfluss wird  so eine Lebenswelt für die Kinder geschaffen, die therapeutisch wirksam wird, da sie sehr gegensätzliche Erfahrungen vermittelt zur früheren Lebenswelt der Kinder. Und Nepal als Land im Umbruch zur Moderne erlaubt, trotz (zwar offiziell abgeschafftem) Kastenwesen und großer sozialer Unterschiede bei entsprechender psychologischer Unterstützung zur Bewältigung kindlicher Traumen und entsprechender Möglichkeit zur schulischen Ausbildung erstaunliche Lebensläufe. Viele Fragen bleiben für mich jedoch weiterhin offen. Die kulturellen Eigenheiten wirklich zu verstehen, ist ohne Sprache und längere Teilnahme als die 4 Wochen, die ich in Ankur gewesen bin, nicht möglich. Aber es wurde deutlich, dass „westliche“ psychologische Theorien, analytischer Zugang zur inneren Welt der Kinder eine hilfreiche und unterstützende Arbeit für die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung benachteiligter Kinder in Nepal darstellt.
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World Mental Health Day 2013

Text und Bilder von Anne Haller – Karpf 
Der Welttag seelischer Gesundheit findet weltweit jährlich am 10. Oktober statt (ins Leben gerufen von der World Federation of Mental Health mit Unterstützung der WHO), um auf die Belange von psychisch erkrankten Menschen aufmerksam zu machen und um das Bewusstsein für die Bedeutung seelischer Gesundheit zu schärfen. Beinahe 12% der Weltbevölkerung leiden an psychischen Problemen, einer von 4 Menschen ist davon betroffen. Vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen fehlt es an Wissen und Aufklärung über seelische Erkrankungen und vor allem an finanziellen Möglichkeiten zur Diagnose und Behandlung.

In Nepal haben sich über 20 verschiedene Einrichtungen zusammengeschlossen, um mit einer Demonstration und Kundgebung auf die Missstände aufmerksam zu machen. Im Rahmen meiner Arbeit als volunteer bei Ankur konnte ich an der diesjährigen Demonstration teilnehmen. Der Zug nahm seinen Ausgang bei einer buddhistischen Stupa und führte zum größen Heiligtum der Hindus nach Pasupathinat. Sicherlich keine zufällige Wahl, da beide Religionen im Bewusstsein und im Alltag der nepalesischen Bevölkerung eine große Rolle spielen. Das Thema des diesjährigen Welttages „Psychische Gesundheit und ältere Menschen“ wurde durch eine pantomimische Darstellung bei der Abschlusskundgebung beeindruckend in Szene gesetzt.
In Nepal gibt es außer für Beamte keine Renten und außer einer Art von Sterbeheim im Tempel Pasupathinat gibt es keine Altersheime zur Versorgung. Die Kinder versorgen ihre Eltern im Alter im Rahmen der Großfamilie. Aber natürlich kommt es aus den unterschiedlichsten Gründen zu manchen Missständen in diesem System: die alten Menschen leiden unter psychischer Vernachlässigung, sozialer Isolation und mangelnder körperlicher Versorgung.  


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Dashain oder Durga Puja

In den hellen Mondnächten des Monats Ashwin (September/Oktober) wird das längste und größte Fest Nepals gefeiert: Dashain oder Durga Puja. Das Kalendersystem in Nepal ist sehr kompliziert, denn es gibt mehrere konkurrierende Modelle, die gleichzeitig geführt werden, je nach Religion oder Volkszugehörigkeit. Und es gibt hier an die 100 Volksgruppen und fast eben soviele Sprachen und Dialekte. Das von offiziellen Stellen verwandte System wird Bikram Sambat (BS) genannt und zählt ab dem Jahr 57 v. Chr.. Das bedeutet, dass wir nun das Jahr 2070 haben. Bei mir hat es einige Zeit gedauert, bis ich das herausgefunden habe. Zuerst war ich doch ziemlich erstaunt über diese Jahresangabe.

In der Zeit nach dem Monsun sollte eigentlich der Himmel blau, die Luft klar und der Reis erntereif sein. Doch in diesem Jahr hat es leider sehr viel und ergiebig geregnet, eine Folge des Taifuns Phailin in Südindien. Und zumindest für die Bauern ist dieses andauernde schlechte Wetter eine Katastrophe. Bei Beginn der Feiertage werden die Häuser mit Blumen geschmückt und an vielen Orten werden Schaukeln aus dicken Bambusstämmen für die Kinder aufgebaut. Bei unserem Ausflug nach Nagarkot haben wir solche Schaukeln gesehen. Während der ersten Tage soll die Göttin Durga, die Siegerin über die bösen Mächte, durch Opfergaben besänftigt werden. Deshalb findet man auf den Märkten zu dieser Zeit unzählige Tiere wie Schafe, Ziegen, Enten oder Hühner, die als Opfertiere verkauft werden.
An einem der vielen Feiertage wird das Blut der geopferten Tiere über alle Arten von Fahrzeugen gespritzt, um diese zu schützen. Dies geschieht während einer kleinen Zeremonie, einer puja. Zusätzlich werden Gebete gesprochen und die Fahrzeuge mit Blumen geschmückt. Seht ihr die angebundenen Ziege? Leider auch wieder sehr viel Regen an diesem Tag.
Diese Zweiräder wurden besonders prächtig geschmückt. Ich denke, die Fahrer der Motorräder hier haben göttlichen Beistand auch besonders nötig.
Der zehnte Tag von Dashain, genannt Dashami, ist ein großes Familienfest, an dem die Kinder ihre Eltern besuchen und die Tika, einen Segen, bekommen. Ganz Nepal ist an diesem Tag, und auch davor und danach, unterwegs. Die meisten Geschäfte, Cafes und Restaurants sind geschlossen, das öffentliche Leben kommt fast zum Erliegen. Es fahren kaum Busse, die wenigen Taxifahrer verlangen saftige Dashain-Aufschläge. Und bei dem schlechten Wetter kann man eigentlich nicht zu Fuß unterwegs sein.
Wir werden von Som Paneru, dem Präsidenten von NYF, eingeladen, diesen Tika-Day im J-House mit zu erleben. Es werden über 100 Kinder und Jugendliche aus den verschiedenen Wohnheimen, dazu viele Ehemalige und Mitarbeiter erwartet. Für uns alle sicherlich ein großes Erlebnis, wir freuen uns auf diesen Tag. Voller Erwartung ergattern wir eines der wenigen Taxis und fahren zu J-House hinauf. Dort ist schon im Garten ein großes Zelt aufgebaut, aber heute regnet es so kräftig, dass die Zeremonie zum großen Bedauern aller Beteiligten im Haus stattfinden muss. Die letzten Vorbereitungen werden getroffen: die rote Farbe, gemischt mit Sandelholz und Reis, wird zusammen mit frischen Gräsern auf Tablets gerichtet, später werden noch dicke Geldbündel dazu gelegt. Währenddessen vertreibt Albert den Jüngsten die Zeit und zeigt ihnen, wie man ein Kartenhaus baut. Unter den Gästen sind noch einige junge volonteers, darunter eine junge Frau aus Dresden und eine aus Wien.
Dann kommen Olga-Didi, Som und seine Frau – sie begrüßen alle sehr herzlich und die Verteilung der Tikas beginnt. Sie nehmen hinter einer langen Tischreihe Platz, dazu kommen Baburam, der Hausvater von J-und K-House und weitere Mitarbeiter. Es ist ergreifend zu sehen, mit welchem Ernst, aber auch mit welcher Freude hier der Segen gespendet wird. Die Jüngsten sind am ungeduldigsten und sind somit die Ersten in der langen Reihe. Neben dem roten Mal auf die Stirn und einigen Grashalmen hinter die Ohren bekommen alle noch kleinere Geldbeträge; dazu werden Segensformeln gesprochen.
Wir drei sind fast die Letzten. Bewegt und angerührt vollziehen wir dieses Ritual des gegenseitigen Respekts.
Bei allen Festen ist es auf der ganzen Welt üblich zu essen, viel zu essen. So auch bei Dashain. Die große Plane im Garten schützt vor dem heftigen Regen; viele suchen etwas frische Luft beim Essen und finden sich hier ein. Bei dieser Gelegenheit kommen wir mit den beiden jungen Frauen über ihre Erfahrungen als volunteers ins Gespräch. Für uns ein sehr interessanter Austausch über die verschiedenen Erwartungen und Erfahrungen zum Abschluss von Tika Day.

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ECD-Training

Am Donnerstag, den 3.10.2013, hatten Anne und ich die Gelegenheit, mit Chhori Laxmi Maharjan und Sunita Rimal nach Dhulikhel zu fahren. Dieser Ort, von dem man bei gutem Wetter einen schönen Blick auf die Berge des Himalaya haben soll, liegt ungefähr 25km östlich von Kathmandu am Araniko-Highway. Dieser Highway ist eine wichtige Verbindungsstraße zwischen Nepal und Tibet. Leider regnet es heute beständig, die Wolken hängen tief, so dass wir von dem berühmten Blick auf die schneebedeckten Berge nichts mitbekommen. Dieses Panorama genießen wir drei aber ausgiebig bei unserem Ausflug nach Nagarkot eine Woche später. Wer mag, kann darüber den post lesen. Bei der Fahrt nach Dhulikhel kommen wir an der mit 33m wohl höchsten freistehenden Shiva-Statue der Welt vorbei. Leider kann ich nur aus dem beschlagenen Seitenfenster unseres Minibusses fotografieren.

Am Ortseingang von Dhulikhel findet im Hotel Arniko ein fünftägiges ECD-Training statt. Diese Abkürzung steht für early child development, frühkindliche Entwicklung. Dieses Training wird von NYF organisiert und finanziert, es findet an verschiedenen Orten in Nepal statt. Zielgruppe sind Frauen, die als Kindergärtnerinnen in kommunalen und privaten Kindergärten arbeiten und damit eine vertiefende Weiterbildung erhalten. Der Donnerstag ist der letzte Tag dieser Veranstaltung hier. Zuerst findet eine allgemeine Begrüßung statt, wir alle stellen uns kurz vor. Dann folgt ein kurzes good-morning-Lied, bei dem wir uns die Hände schütteln und uns einen guten, erfolgreichen Tag wünschen. Dieses Lied singen die Frauen wohl auch jeden Morgen mit den Kindern. Eine der Teilnehmerinnen referiert kurz den Stoff des gestrigen Tages. Gestern wurden verschiedene einfache Drucktechniken und Papierarbeiten geübt. So z.B. Zwiebel- oder Kartoffeldruck, das Kleben mit kleinen Papierkügelchen. Dann folgt noch ein Lied über eine kleine Spinne, die den Arm hinauf- und hinunterkrabbelt. Wir alle singem mit großer Freude mit.
Bis jetzt können Anne und ich der Veranstaltung noch gut folgen, denn es wird auf Englisch gesprochen und gesungen. Die beiden folgenden Vorträge sind nun auf Nepali. Allerdings gibt uns die Leiterin der Veranstalung immer kurze Zusammenfassungen auf Englisch, so dass wir den Referentinnen doch einigermaßen folgen können. Thema des ersten Vortrags, gehalten von der Leiterin des ACC Chhori Laxmi Maharjan, ist die kindliche Entwicklung in den Jahren zwischen 2,5 und 5 Jahren. Dabei geht sie auch auf die Entwicklungsmodelle von Piaget und Erik Eriksson ein. Den zweiten, längeren Vortrag hält die Leiterin des NRH Sunita Rimal. NRH steht für Nutrition Rehabilitation Homes und ist eines der vielen Hilfsprogramme von NYF. Eines dieser Häuser in der Nähe von Patan haben wir vor einiger Zeit besuchen können und dabei Frau Rimal kennen gelernt. Frau Rimal spricht über die Notwendigkeit einer ausgeglichenen Erährung und dass keine teuren Fertigprodukte dazu notwendig sind, wie oft fälschlicherweise angenommen wird. Viele Mütter verkaufen wohl Produkte aus dem heimischen Garten, um von dem Erlös Fertigprodukte und fast food zu kaufen. Viel besser geeignet für die Ernährung der Kinder sind jedoch frisch zubereitete Speisen werden. Die Nahrungsmittel dazu können im eigenen Garten angebaut werden oder billig auf dem heimischen Markt gekauft werden. Ganz wichtig dabei ist zu wissen, in welcher Zusammensetzung und Zubereitung der größte Nährwert liegt. Dazu bietet NYF auch eigene Kurse und Schulungen an.
Danach haben wir noch Gelegenheit für ein kurzes Gespräch mit einem der Referenten der Vortage, der uns das ausgelegte Material präsentiert. Währenddessen üben die Teilnehmerinnen das Falten von kleinen Papierfischen. Ein leckeres Mittagessen, es gibt Dal Bhat, rundet diese Veranstaltung ab. Dabei unterhalten wir uns mit den beiden Referentinnen über die verschiedenen Probleme und Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen. Dabei stellen wir fest, dass in dieser Hinsicht kein großer Unterschied zwischen Nepal und Deutschland besteht.
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Berufliche Ausbildung

Bei der Vorstellung der verschiedenen Programme zur Verbesserung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Nepal durch NYF lernen wir auch die berufliche Ausbildung kennen. Die Leiterin des Vocational Training nimmt uns mit nach Banepa, einer Kleinstadt ca 10 KM von Kathmandu entfernt. Dort gibt es ein großes Zentrum für Berufsbildung für ca 250 Jugendliche mit angegliedertem Internat mit ungefähr 100 Plätzen. Gebaut wurde diese große und moderne Anlage vor wenigen Jahren von der chinesischen Regierung.

Anlass der heutigen Fahrt hierher ist der Besuch von zwei jungen Frauen, die durch NYF hier ein Stipendium bekommen. Die beiden absolvieren eine Ausbildung im Bereich Hotelwesen. Dieser Ausbildungsberuf ist, so haben wir es verstanden, ein Pilotprojekt in Nepal. So lernen die beiden u.a. in Übungszimmern den Zimmerservice, in einer Lehrküche kochen sie Gerichte aus der chinesischen, nepalischen und kontinentalen Küche. Sogar ein großer Backofen für Pizza ist vorhanden. Die beiden Jugendlichen sind sehr schüchtern, ein Gespräch ist dadurch leider nicht möglich.
Das große Dhasainfest wirft seine Schatten voraus, die meisten Schüler haben ihre Abschnittprüfungen absolviert. Sie sind daher schon in den Ferien und nach Hause gefahren. Das große Schulgelände ist daher schon ziemlich verwaist. Nur eine große Hundemeute beäugt uns aufmerksam.
Die beiden anderen Berufe, die hier gelernt werden können, sind aus dem Bereich der Computer- und Elektrotechnologie. Die Ausbildungsdauer beträgt jeweils 3 Jahre. In die erste Computerklasse können wir kurz reinschauen. Die Jugendlichen haben vor kurzer Zeit erst mit der Ausbildung hier begonnen und noch keine Prüfungen hinter sich.
Bei einem abschließenden Gespräch mit dem Schulleiter erfahren wir bei einer Tasse Tee weitere Einzelheiten zum nepalischen Ausbildungs- und Prüfungssystem. So sind z.B. die Prüfungen zentral, d.h. landesweit organisiert.
Zur Abrundung unseres Eindrucks besuchen wir noch einen kürzlich ausgelernten Elektrotechniker, der vor einigen Wochen seine erste Stelle angetreten hat. Der junge Mann arbeitet bei einer kleinen Firma, die Elektroinstallationen in Wohnhäusern durchführt.
Dies ist insofern nicht ganz einfach, da viele Häuser über zwei Stromkreise verfügen. D.h. auch zwei Lichtsysteme. Das eine läuft über Netzstrom mit 220 V, so wie bei uns. Das zweite wird durch eine Photovoltaik-Anlage und/oder große Akkus betrieben und läuft mit 12V. Das bedeutet für die Bewohner eine große Investition. Diese liegen, so erfahren wir im Gespräch mit der Hausbesitzerin, zwischen 15.000 und 100.000 Rupien, d.h. zwischen 120 und 750 €. Die Unterschiede liegen in der Größe der Anlage begründet. Reine Lichtversorgung ist viel billiger als die Versorgung mit Notstrom für PC und andere Verbraucher. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von ca 20-30 € sind das ganz schöne Summen! Diese Anlagen sind notwendig, da die Stromversorgung hier nicht verlässlich funktioniert. Es gibt eigene load-shedding-Pläne über die Ausfallzeiten. Darüber hinaus gibt es auch unvorhergesehene Ausfallszeiten. Für die hiesige Wirtschaft und Industrie ein Riesenproblem.

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