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Dashain oder Durga Puja

In den hellen Mondnächten des Monats Ashwin (September/Oktober) wird das längste und größte Fest Nepals gefeiert: Dashain oder Durga Puja. Das Kalendersystem in Nepal ist sehr kompliziert, denn es gibt mehrere konkurrierende Modelle, die gleichzeitig geführt werden, je nach Religion oder Volkszugehörigkeit. Und es gibt hier an die 100 Volksgruppen und fast eben soviele Sprachen und Dialekte. Das von offiziellen Stellen verwandte System wird Bikram Sambat (BS) genannt und zählt ab dem Jahr 57 v. Chr.. Das bedeutet, dass wir nun das Jahr 2070 haben. Bei mir hat es einige Zeit gedauert, bis ich das herausgefunden habe. Zuerst war ich doch ziemlich erstaunt über diese Jahresangabe.

In der Zeit nach dem Monsun sollte eigentlich der Himmel blau, die Luft klar und der Reis erntereif sein. Doch in diesem Jahr hat es leider sehr viel und ergiebig geregnet, eine Folge des Taifuns Phailin in Südindien. Und zumindest für die Bauern ist dieses andauernde schlechte Wetter eine Katastrophe. Bei Beginn der Feiertage werden die Häuser mit Blumen geschmückt und an vielen Orten werden Schaukeln aus dicken Bambusstämmen für die Kinder aufgebaut. Bei unserem Ausflug nach Nagarkot haben wir solche Schaukeln gesehen. Während der ersten Tage soll die Göttin Durga, die Siegerin über die bösen Mächte, durch Opfergaben besänftigt werden. Deshalb findet man auf den Märkten zu dieser Zeit unzählige Tiere wie Schafe, Ziegen, Enten oder Hühner, die als Opfertiere verkauft werden.
An einem der vielen Feiertage wird das Blut der geopferten Tiere über alle Arten von Fahrzeugen gespritzt, um diese zu schützen. Dies geschieht während einer kleinen Zeremonie, einer puja. Zusätzlich werden Gebete gesprochen und die Fahrzeuge mit Blumen geschmückt. Seht ihr die angebundenen Ziege? Leider auch wieder sehr viel Regen an diesem Tag.
Diese Zweiräder wurden besonders prächtig geschmückt. Ich denke, die Fahrer der Motorräder hier haben göttlichen Beistand auch besonders nötig.
Der zehnte Tag von Dashain, genannt Dashami, ist ein großes Familienfest, an dem die Kinder ihre Eltern besuchen und die Tika, einen Segen, bekommen. Ganz Nepal ist an diesem Tag, und auch davor und danach, unterwegs. Die meisten Geschäfte, Cafes und Restaurants sind geschlossen, das öffentliche Leben kommt fast zum Erliegen. Es fahren kaum Busse, die wenigen Taxifahrer verlangen saftige Dashain-Aufschläge. Und bei dem schlechten Wetter kann man eigentlich nicht zu Fuß unterwegs sein.
Wir werden von Som Paneru, dem Präsidenten von NYF, eingeladen, diesen Tika-Day im J-House mit zu erleben. Es werden über 100 Kinder und Jugendliche aus den verschiedenen Wohnheimen, dazu viele Ehemalige und Mitarbeiter erwartet. Für uns alle sicherlich ein großes Erlebnis, wir freuen uns auf diesen Tag. Voller Erwartung ergattern wir eines der wenigen Taxis und fahren zu J-House hinauf. Dort ist schon im Garten ein großes Zelt aufgebaut, aber heute regnet es so kräftig, dass die Zeremonie zum großen Bedauern aller Beteiligten im Haus stattfinden muss. Die letzten Vorbereitungen werden getroffen: die rote Farbe, gemischt mit Sandelholz und Reis, wird zusammen mit frischen Gräsern auf Tablets gerichtet, später werden noch dicke Geldbündel dazu gelegt. Währenddessen vertreibt Albert den Jüngsten die Zeit und zeigt ihnen, wie man ein Kartenhaus baut. Unter den Gästen sind noch einige junge volonteers, darunter eine junge Frau aus Dresden und eine aus Wien.
Dann kommen Olga-Didi, Som und seine Frau – sie begrüßen alle sehr herzlich und die Verteilung der Tikas beginnt. Sie nehmen hinter einer langen Tischreihe Platz, dazu kommen Baburam, der Hausvater von J-und K-House und weitere Mitarbeiter. Es ist ergreifend zu sehen, mit welchem Ernst, aber auch mit welcher Freude hier der Segen gespendet wird. Die Jüngsten sind am ungeduldigsten und sind somit die Ersten in der langen Reihe. Neben dem roten Mal auf die Stirn und einigen Grashalmen hinter die Ohren bekommen alle noch kleinere Geldbeträge; dazu werden Segensformeln gesprochen.
Wir drei sind fast die Letzten. Bewegt und angerührt vollziehen wir dieses Ritual des gegenseitigen Respekts.
Bei allen Festen ist es auf der ganzen Welt üblich zu essen, viel zu essen. So auch bei Dashain. Die große Plane im Garten schützt vor dem heftigen Regen; viele suchen etwas frische Luft beim Essen und finden sich hier ein. Bei dieser Gelegenheit kommen wir mit den beiden jungen Frauen über ihre Erfahrungen als volunteers ins Gespräch. Für uns ein sehr interessanter Austausch über die verschiedenen Erwartungen und Erfahrungen zum Abschluss von Tika Day.

Hier mehr Infos über die nepalyouthfoundation